Gestern - Heute - Morgen

 

Von Barbara Schmid

Wer kann schon von sich behaupten, zum Geburtstag eine Geschichte geschenkt bekommen zu haben - ich schon!!   :-)

 


 

Ich habe keine Angst vor dem Morgen,

denn ich habe das Gestern begriffen,

und ich liebe das Heute.

William Allen White

 

 

LOGBUCH MONDBASIS ALPHA 1 - 1420 Tage nach dem Verlassen der Erdumlaufbahn
Dr. Helena Russell:

„Nach dem Debakel um ARKADIA hatte sich auf Alpha eine etwas gedrückte Stimmung manifestiert. Wir hatten zuwenig Vorräte und auf Grund des temporären Energieausfalles einige Schäden, die noch nicht vollständig repariert waren. Die ständigen vergeblichen Hoffnungen begannen die Mannschaft zu zermürben und sogar John schien seinen Optimismus ein wenig zu verlieren. In dieser ziemlich besorgniserregenden Lage, erschien uns der Planet THOVA, den wir völlig unerwartet auf unserem endlosen Weg kreuzten, wie ein lockendes Paradies. Der Computer bestätigte uns ideale Bedingungen und John Koenig stellte ein Team zusammen, das einen Erkundungsflug unternehmen sollte. Es bestand aus dem Commander selbst, Alan Carter, sowie Professor Angela Robinson und Professor Victor Bergman.

Entgegen meiner sonstigen Art, Dinge rational zu betrachten, hatte ich bei THOVA ein seltsam warnendes Gefühl, was allerdings logisch zu begründen war. Der Planet mutete geradezu paradiesisch an, aber wir hatten keinerlei Lebensformen orten können, was mich sehr nachdenklich gestimmt hatte. Ich riet dringend zur Vorsicht, was auch beherzigt wurde, aber mein Gefühl einer schrecklichen Bedrohung wollte nicht weichen.“

 

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Der Adler senkte sich auf eine üppige grüne Wiese und setzte weich auf. Koenig lächelte:

„Feine Landung, Alan.“

Der erhob sich schwungvoll aus seinem Stuhl:

„Mal sehen, was diese Welt zu bieten hat. Ich kann es kaum erwarten.“ Der Signalton des Funkgerätes hielt ihn zurück. John betätigte den Schalter, Helenas ernstes Gesicht erschien am Bildschirm:

„Wir haben noch einmal alles überprüft, es scheint alles in Ordnung zu sein, aber… John, bitte sei vorsichtig.“

Der Commander fühlte einen warmen Schauer, der ihn überrieselte. Wie immer, wenn Helena sich so offen um ihn sorgte. Er lächelte, gab aber eine lässige Antwort:

„Keine Angst, Helena. Wir stellen schon nichts an.“ Er wandte sich an Alan:

„Worauf warten wir noch?“

 

THOVA war ein wahrhaft herrlicher Planet. Der Himmel war blau und feine weiße Wölkchen trieben dahin. Die Sonne war warm, nicht zu heiß und alles schien zu grünen und zu blühen.

Es gab unzählige kleine Teiche und Wasserläufe, die genießbares, sauberes Wasser enthielten. Die Ergebnisse, die Victor und Angela lieferten, waren mehr als viel versprechend. Victor kam strahlend auf John zu, der einen herrlich blühenden Baum betrachtete.

„John? Es sieht so aus, als hätten wir endlich Erfolg gehabt. Hier auf THOVA werden wir leben können, denke ich.“ John holte tief Luft:

„Hoffen wir es Victor. Aber es hat schon so viele Enttäuschungen gegeben, ich rate noch ein wenig zur Vorsicht.“ Victor warf ihm einen beinahe neckenden Blick zu:

„Helena hat dich angesteckt, oder?“ Bevor John antworten konnte, erklang lautes Rufen. Angela lief aufgeregt am Ufer eines kleinen Sees entlang und rief unentwegt Alans Namen. John rannte los und sah Alan reglos im klaren Wasser treiben. Ohne zu überlegen stürzte er sich hinein und zog den leblosen Piloten an Land. Während der Rettungsaktion fühlte er einen scharfen Schmerz am linken Unterarm, den er aber vorerst nicht beachtete. Erst als Carter sicher an Land war und wieder zu sich zu kommen schien, untersuchte er die schmerzende Stelle. Es war eine Bisswunde, ganz eindeutig und John überlegte, ob es wohl ein giftiges Tier gewesen sein könnte. Aber dann lenkte Alan seine Aufmerksamkeit wieder von der nicht sehr gefährlich wirkenden Wunde ab:

„Was…was ist passiert?“

„Alles in Ordnung, Alan. Wie bist du in das Wasser gefallen?“

„Ich wollte etwas trinken und bin abgerutscht, dann bin ich mit dem Kopf wohl an den Felsen und…..“ Er machte eine beredte Geste mit beiden Händen. „Danke, Commander, fürs Herausfischen…..“ Koenig wehrte lächelnd ab, als Victor einen überraschten Laut von sich gab: „Seht, da schwimmt ein seltsames Tier. Es scheint tot zu sein.“ John betrachtete das schlangenartige Wesen und als er das Gebiss mit den scharfen kleinen Zähnen sah, wusste er Bescheid.

„Dieses Ding hat mich gebissen“, bemerkte er kurz und präsentierte seinen verletzten Unterarm. Drei besorgte Augenpaare starrten auf die Wunde.

„Hoffentlich ist es nicht giftig.“ John verzog das Gesicht:

„Für mich nicht, aber ich offensichtlich für es.“ Victor zog das etwa vierzig Zentimeter lange Tier aus dem Wasser und packte es vorsichtig in einen Behälter.

„Helena wird es untersuchen wollen. Und mit dir sollte sie das auch machen. Fliegen wir zurück.“ John nickte und gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg. John fühlte eine seltsame Schwäche, die ihn ganz plötzlich befiel. Verdammt, war das Biest doch giftig gewesen? Eine eisige Kälte begann sich in seinem Körper auszubreiten, nur die Wunde brannte wie Feuer und ein glühend heißer Strom schien seinen Arm hinaufzuwandern. Koenig riss sich zusammen, um die anderen nicht zu beunruhigen, aber als sie beim Adler ankamen, konnte er sich kaum mehr auf den Beinen halten. Carter wandte sich humorvoll zu ihm um:

„Wollen Sie uns heimbringen, Comm…..?“ Die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er das bleiche, schweißüberströmte Gesicht sah:

„Commander, was ist los?“ Er sprang auf ihn zu und gemeinsam mit Victor und Angela schleppten sie ihn in den Adler. John hatte das Bewusstsein verloren. Alan startete und machte sich im Eiltempo auf den Rückweg. Victor verständigte Helena:

„Helena. Wir haben einen Notfall. John ist von einer Art Schlange gebissen worden. Wir haben das Tier mit, aber es geht John nicht gut. Es muss giftig gewesen sein.“

 

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LOGBUCH DR. HELENA RUSSELL:

„Als Victor mir die Mitteilung von Johns Unfall überbrachte, fühlte ich, dass meine Vorahnungen berechtigt gewesen waren. Ich wartete voller Sorge mit dem medizinischen Notfallteam an der Schleuse, um John entgegenzunehmen. Er war in keinem guten Zustand und die Untertemperatur, der beschleunigte Puls und die erweiterten Pupillen, ließen tatsächlich auf eine Vergiftung schließen. In der Isolierstation, auf die ich ihn sicherheitshalber hatte bringen lassen, konnten wir ihn dann stabilisieren und ich machte mich unverzüglich an die Untersuchung der fremden Lebensform.

Das Wesen hatte einen schlangenartigen Körper mit vier kurzen Stummelbeinchen, die flossenartig verbreitert waren. Auch der Schwanz schien eine Flossenfunktion einzunehmen, denn er war abgeflacht und gefächert. Es war aber, wenn auch auf das Leben im Wasser angepasst, kein Fisch. Es hatte Lungen, um zu atmen und seltsame lange Fühler, die an ein Insekt erinnerten. Allerdings hatte es keine erkennbaren Fortpflanzungsorgane und es schien über keinerlei Giftdrüsen zu verfügen. Ich konnte keine Substanz feststellen, die eine derart gravierende Reaktion hätte hervorrufen können und begann voller Erleichterung an eine allergische Reaktion zu glauben. Aber weder Antihistaminika oder Steroide noch Antibiotika zeigten irgendeine Wirkung. Kein Medikament änderte etwas an Johns Zustand, der allerdings stabil zu bleiben schien. Nur seine erhöhte Gehirnaktivität machte mir Sorgen und ich entschied mich, seinen Kopf genauer zu untersuchen, auch wenn die Bisswunde kaum die Ursache dafür sein konnte, wie ich dachte.“

 

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Commander Koenig erwachte mit bohrenden Kopfschmerzen. Noch bevor er die Augen öffnete wusste er, wo er sich befand. Der typische Geruch der Krankenstation stach ihm in die Nase. Was war passiert? Ein Adlerabsturz? Er konnte sich an absolut nichts erinnern. Seine Hände stießen gegen das Life Support System und er öffnete nun endgültig die Augen. Dr. Bob Mathias stand lächelnd neben seinem Bett. John versuchte schwach das Lächeln zu erwidern und sah sich suchend um: „Helena?“

Dr. Mathias Augen begannen zu flattern und er wandte den Blick ab:

„Beruhigen Sie sich Commander, es ist alles in Ordnung. Sie müssen erst wieder gesund werden.“

John fühlte, wie eine eisige Hand nach seinem Herzen griff:

„Was ist mit Helena, wo ist sie?“ Dr. Mathias seufzte:

„Können Sie sich denn nicht mehr erinnern, Commander? Es war auf ARKADIA. Luke Ferro hat sein Wort nicht gehalten, er hat Dr. Russell getötet.“

John fiel kraftlos zurück. In seinem Kopf drehte sich alles und ein wilder namenloser Schmerz schien seinen Brustkorb sprengen zu wollen. Dr. Mathias redete beruhigend auf ihn ein und verabreichte ihm ein willkommenes Beruhigungsmittel, das ihn aus der furchtbaren Realität entschwinden ließ.

 

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Dr. Helena Russell, Prof. Victor Bergman, Alan Carter und Paul Morrow hatten sich zu einer Krisensitzung getroffen. Helena hatte ihnen ihre bisherigen Ergebnisse unterbreitet.

Victor sah sie nachdenklich an:

„Aber wenn es nicht giftig war, was ist dann mit John?“ Helena seufzte: „Ich weiß es auch nicht, Victor. Wir untersuchen gerade sein Gehirn, aber noch habe ich da keine Ergebnisse. Sein Herz ist in Ordnung, auch der Kreislauf ist stabil. Die Wunde weist eine geringgradige Infektion auf, aber die stellt kein Problem dar. Das einzig Ungewöhnliche ist diese erhöhte Gehirnaktivität und gleichzeitig diese tiefe Bewusstlosigkeit, aus der er nicht erwachen kann.“

Alan wirkte zerknirscht:

„Warum hat das verdammte Biest nicht mich gebissen. Es ist meine Schuld, ich habe ihn in diese Lage gebracht.“

Helena machte eine beruhigende Handbewegung:

„Noch wissen wir nichts Genaues. Warten wir die Ergebnisse ab, dann sehen wir weiter.“

Paul starrte von einem zum anderen:

„Was wird jetzt aus Operation Exodus?“

„Bevor wir nicht wissen, was mit John auf dem Planeten passiert ist, wird Operation Exodus nicht stattfinden.“ Helena hatte so bestimmt gesprochen, dass keiner mehr ein weiteres Wort verlor. Die Sitzung wurde aufgehoben und jeder ging bedrückt wieder seiner Arbeit nach.

 

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John erwachte und warf einen kurzen Blick auf den Wecker. Wie immer war er fünf Minuten vor dem Signal erwacht und stieg schwungvoll aus seinem Bett. Während einer ausgiebigen Dusche hörte er die Nachrichten und ärgerte sich, als die Meta – Sonde erwähnt wurde. Aber daran hatte er sich gewöhnen müssen. Er kleidete sich an und trank einen raschen Kaffee im Stehen, bevor er seine Wohnung verließ und in sein Auto stieg. Der Posten in der Raumfahrtbehörde war mehr als unbefriedigend für einen leidenschaftlichen Astronauten, aber die missglückte Ultra-Mission und sein unerwünschtes Eintreten für seinen Freund Tony Cellini hatten seiner Karriere empfindlich geschadet. Seufzend suchte er sein Büro auf und  vergrub sich in seine trockene, theoretische Arbeit. Victor war schon wieder auf dem Mond, ihm hatte man vergeben. John dachte sehnsuchtsvoll an Alpha. Die Mondbasis war auch „sein“ Projekt, er war an Planung und Aufbau intensiv beteiligt gewesen, sollte er Alpha nie wieder sehen? Der interne Funkruf riss ihn aus seinen unerquicklichen Gedanken:

„Cpt. John Koenig melden Sie sich unverzüglich bei Commissioner Simmonds.“ John zog eine Grimasse. Was konnte der schon wollen? Aber er meldete sich und bestätigte sein Kommen. Vor Simmonds’ Bürotür machte er kurz Halt und stieß unwillig die Luft aus, dann betätigte er den Türsummer. Simmonds Sekretärin empfing ihn freundlich und führte ihn sofort ins Allerheiligste. Der Commissioner schien schon ungeduldig auf ihn zu warten. Ein ungewöhnlich joviales Grinsen teilte seinen gepflegten Bart. Er ergriff Johns Rechte:

„John, schön, dass du da bist.“ Koenig lächelte:

„Du hast mich rufen lassen?“

„Du wirst dich freuen John. Ich habe eine neue Aufgabe für dich.“

„Wieder so eine überaus wichtige und langweilige Beobachtungsmission auf der Erde?“

Simmonds schien den Augenblick sehr zu genießen:

„Nein John. Du gehst zurück in den Weltraum, wo du hingehörst. Du bist mit dem Meta Projekt ein wenig vertraut?“

„Ich habe davon gehört.“

„Du wirst die Operation durchführen, von der Mondbasis aus, als ihr neuer Commander.“

Koenig schluckte:

„Ist das dein Ernst?“

Der Commissioner lächelte selbstgefällig:

„Ich brauche jemanden, der da oben aufräumt. Dem guten alten Gorski entgleiten die Dinge langsam. Ich brauche jemanden wie dich John, der genug Durchsetzungsvermögen und Mut hat, um die einreißende Disziplinlosigkeit im Keim zu ersticken.“ Koenig runzelte die Stirn, aber bevor er eine unwillige Antwort geben konnte, redete Simmonds rasch weiter:

„Natürlich bekommst du diese Aufgabe in erster Linie wegen deiner Erfahrungen und deinem umfassenden Wissen, aber ich will nicht leugnen, dass man auf Alpha dringend einer starken Hand bedarf. Die richtige Aufgabe für dich.“ Es war Simmonds anzusehen, dass er genau die Eigenschaften von Koenig, die er so hervorgehoben hatte, in Wahrheit auch nicht sonderlich schätzte. Er war ein gewandter, aalglatter Politiker. Johns aufbrausende Natur, seine Geradlinigkeit und seinen Individualismus empfand er als lästig, aber in diesem besonderen Fall waren sie ihm nützlich. John war allerdings viel zu überwältigt von der Möglichkeit, die Mondbasis zu kommandieren, als dass er auf Simmonds Stimmungsschwankungen geachtet hätte. Der Comissioner starrte auf seine Uhr:

„Wir treffen uns morgen um dieselbe Zeit, da besprechen wir alles Weitere. Ich habe jetzt noch einen Termin, entschuldige mich also bitte.“

John verließ das Büro wie in Trance. War die endlose Durststrecke endlich vorbei? Konnte er zurück auf Alpha, und die Meta–Mission leiten? Es war eine Aufgabe ganz nach seinem Geschmack. Über die Disziplinlosigkeit machte er sich keine Gedanken. Gorski war immer ein Schwächling gewesen, Simmonds hatte mit Sicherheit übertrieben.

John sprang in seinen Wagen und reihte sich in den Abendverkehr ein. Als er die Nase frei hatte, gab er Gas und überließ sich ganz seinen angenehmen Gedanken....

 

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„COMMANDER?“

Koenig starrte aus dem Cockpit und versuchte den Adler wieder unter Kontrolle zu bringen. Sein Lenkrad hatte sich so plötzlich in einen Steuerknüppel verwandelt, dass er einige Sekunden brauchte, um alles wieder im Griff zu haben. Alan lächelte neben ihm boshaft:

„Ich bin nicht John Junior. So schnell machen Sie mir keine Angst.“ John holte tief Luft:

„John Junior?“

Alans amüsierter Gesichtsausdruck verwandelte sich vor Koenigs Augen in ein fassungsloses Fragezeichen:

„Commander? Was ist das für eine Frage? John Junior ist Ihr Sohn!“

„MEIN…..WAS?“

„Sir, geht es Ihnen gut? Ihr und Dr. Russells erster Sohn. John Junior!“

„Mein erster heißt…….“

Alan begann sich immer unbehaglicher zu fühlen:

„Sie haben noch einen Sohn Victor und eine kleine Tochter – Maya.“

„Was ist das für ein seltsamer Name?“

„Commander, Maya hat sich so sehr gefreut, als sie Ihrer Tochter ihren Namen gegeben haben, wissen Sie das nicht mehr?“ John umklammerte seinen Steuerknüppel und schwieg. Was war nur los mit ihm? Hatte er seine Familie vergessen?

Hatte er die Erde so schnell verlassen? Was war nur mit seinem Gedächtnis passiert?

 

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MEDIZINISCHES LOGBUCH DR. HELENA RUSSELL:

„Die Untersuchung von Commander Koenigs Gehirn hat ein mehr als besorgniserregendes Ergebnis gebracht. Ich bin ratlos und beunruhigt, ich habe eine Konferenz einberufen, um diese Notsituation zu diskutieren. Unter der Mannschaft gibt es Unruhe und Verzweiflung, aber keine Aggression. Die Hoffnungslosigkeit, die um sich greift, unterwandert die Moral der gesamten Besatzung.“

 

Vor der Besprechung hatte Dr. Russell einen Augenblick genutzt um sich ein wenig hinzulegen. Natürlich würde sie keinen Schlaf finden, aber sie musste sich ein wenig sammeln, um die furchtbaren Neuigkeiten ruhig und beherrscht vorbringen zu können. Helena hatte die ganze Nacht über den Ergebnissen gebrütet und keine Lösung gefunden, sie fühlte sich völlig erschöpft und verzweifelt. Trotzdem legte sie sich kurz auf ihr Bett und umklammerte ihren Polster. Ein schwarzes Haar lag auf dem hellen Stoff und Helena nahm es gedankenvoll zwischen ihre Finger. Dann drückte sie es mit einer zärtlichen Geste an ihre Lippen und brach in schmerzliche Tränen aus.

 

Als Helena Johns Büro betrat und in die erwartungsvollen Gesichter blickte, hatte sie sich wieder völlig in der Gewalt.

Alle leitenden Mitglieder des Kommandozentrums waren anwesend: Victor Bergman, Paul Morrow, Sandra Benes, Alan Carter und David Kano. Helena begann mit ausdruckloser Stimme zu sprechen:

„Als ich die fremde Lebensform zum ersten Mal untersucht habe, konnte ich nichts Gravierendes feststellen, bis auf ein paar wesentliche Anomalien, die ich aber zunächst für weniger bedeutend hielt. Aber mittlerweile liegen alle Ergebnisse von Johns Gehirnuntersuchung vor und nun bekommen diese Anomalien eine erschreckende Wichtigkeit.“

Helena konnte sehen, dass ihr etwas ausholender Bericht die Nerven der anderen auf eine harte Probe stellte, aber sie brauchte diese Ruhe, um das Schlimmste aussprechen zu können.

„In Johns Gehirn befindet sich eine Lebensform, die sich im Großhirn festgesetzt hat. Eine ist aktiv, während zwei andere sich in einer Art Stasis zu befinden scheinen. Nun bekommt die Tatsache, dass die Kreatur, die John gebissen hat, keine Geschlechtsorgane aufzuweisen scheint, eine ganz andere Bedeutung. Offensichtlich hat sie ihre Brut über den Biss übertragen und die Larven haben Johns Gehirn okkupiert. Danach ist das „Muttertier“ verendet, wie es beispielsweise bei Lachsen vorkommt.  Johns restlicher Körper ist ansonsten frei von weiteren Larven, sie scheinen es nur auf das Gehirn abgesehen zu haben. Die erhöhte Gehirnaktivität weist darauf hin, dass sie sich auf irgendeine geheimnisvolle Art und Weise von dieser gedanklichen Energie ernähren.“

Victor rieb sich nachdenklich die Stirn:

„Meinst du so eine Art Symbiont?“

Helena schüttelte traurig den Kopf:

„Nein Victor, ein Parasit. Noch scheint Johns Gehirn unbeschädigt und die beiden anderen Parasiten sind inaktiv, aber ich weiß nicht genau, welche Art Schaden sie hervorrufen und – vor allem – was sich daraus entwickeln wird. Sie sprechen auf keine Art der Behandlung an und ich muss noch erwähnen, dass, wenn der Fall eintritt und die anderen Parasiten sich auch noch entwickeln, eventuell die Sicherheit von Alpha in Gefahr ist. Vorläufig schlage ich vor, John weiter unter genauester Beobachtung zu halten und ich werde morgen versuchen, ihn aufzuwecken. Dann sehen wir weiter.“

Atemlose Stille folgte ihren Worten, dann sprang Alan auf:

„Was wollt ihr mit ihm machen, wenn die Biester sich weiterentwickeln? Ihn ins Weltall katapultieren? Ihn umbringen?“

Helena riss sich zusammen:

„John…John war die Sicherheit von Alpha immer das Allerwichtigste, er würde diese Entscheidung verlangen. Wir können nicht riskieren…..“

„Wir können nicht riskieren ihn zu verlieren, verdammt. Sieht das denn keiner? Und wir sollten aufhören, von ihm schon in der Vergangenheit zu sprechen, solange er atmet.“

Victor hob begütigend beide Hände:

„Warten wir ab. Vielleicht bessert sich Johns Zustand ja und wir machen uns unnötige Sorgen. Warten wir bis morgen.“

Paul hob den Kopf:

„Morgen sind wir zu weit weg von THOVA, um noch an Operation Exodus denken zu können. Also ist dieses Thema damit wohl gestorben, oder?“

Helena nickte sorgenvoll:

„Ich denke, DAS ist die Erklärung, warum dieser herrliche Planet unbewohnt ist. Diese schrecklichen Gehirnparasiten machen jedes höher entwickelte Leben unmöglich. Die Schönheit THOVAS lockt Reisende an, wie eine Fleisch fressende Pflanze. Und führt sie direkt ins Verderben. Ihr seid glücklicherweise alle gesund, wie die Testergebnisse beweisen, offensichtlich vermehrt sich die Kreatur nur über den Biss.“

Alan fuhr sich nachdenklich durch die Haare:

„Aber warum hat sie mich nicht gebissen? Ich war zuerst im Wasser, sie hätte doch mich….“

Helena sah ihn an:

„Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Ich nehme an, es lag an deiner Bewusstlosigkeit. Möglicherweise hat die Kreatur dich für tot gehalten, da sie keine Energie von deinen Gedanken empfangen hat.“

Carter vergrub sein Gesicht in den Händen:

„Es ist alles meine Schuld.“

Die Ärztin legte ihm eine Hand auf die Schulter:

„Warten wir bis morgen Alan, dann sehen wir weiter.“

Die Sitzung löste sich auf und alle gingen auf ihre Posten zurück. Man hörte Pauls Stimme Befehle erteilen. Bis auf weiteres hatte er das Kommando. „Operation Exodus abbrechen“, vernahmen sie noch, bevor die Tür zum Kommandantenbüro, von Victor gesteuert, zuglitt.

Victor betrachtete Helenas bleiches Gesicht.

„Also, wie stehen die Chancen?“ Helena holte tief Luft:

„Vorläufig besteht für die anderen keine Gefahr, alle meine Tests erwiesen sich als negativ. Eine andere Verbreitung gibt es nicht, zumindest nicht in DIESER Daseinsform. Was sich daraus entwickelt, kann ich noch nicht sagen.“

„Und was ist mit John?“

Helena versuchte ihre Emotionen unter Kontrolle zu bringen, dann flüsterte sie:

„Ich weiß es nicht Victor, aber wenn es so weitergeht, wird er im schlimmsten Fall den Verstand verlieren. Wobei ich noch gar nicht sagen kann, ob das tatsächlich der schlimmste Fall ist.“

Beide saßen noch eine Weile schweigend zusammen, während Victor sanft Helenas Hand hielt, dann erhoben sie sich und verließen das Büro in entgegengesetzten Richtungen.

 

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John erwachte in seinem Quartier. Helena schlief ruhig an seiner Seite und er fühlte sich entspannt und erleichtert. Er schmiegte sich an sie und wollte eben weiterschlafen, als ein etwa fünf oder sechsjähriger Junge jubelnd das Bett seiner Eltern erklomm.

„Endlich Daddy, ich dachte schon, du wachst nie auf.“ Erleichtert, nun offensichtlich in der richtigen Zeit zu sein, schloss Koenig das Kind in die Arme. Helena drehte sich lächelnd zu ihnen.

„Wecke bloß nicht deine Geschwister, John. Dein Vater ist müde, du solltest ihn noch ein wenig schlafen lassen.“

Der kleine schwarzhaarige Junge senkte seine leuchtenden blauen Augen in die seines Vaters:

 „Ich werde ganz ruhig sein, Daddy. Darf ich bleiben?“ Eine kleine Hand streichelte Koenigs Wange. Er fühlte eine große Zärtlichkeit und drückte den Jungen an sich:

„Natürlich darfst du bleiben, John. Es ist gut, dich zu spüren.“ Sanft glitt er zurück in den heilsamen Schlaf.

 

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Als Koenig wieder erwachte, hatte er noch immer das Gefühl seinen Sohn  zu halten – als er zurückzuckte. Eine Krankenschwester wand sich eben mit hochrotem Kopf aus seinen Armen.

„Commander, ich fürchte Sie verwechseln mich.“ John starrte sie an, er schien sie nicht zu erkennen:

„Wo ist mein Sohn?“

„Welcher Sohn, Sir? Ich wusste gar nicht, dass Sie einen haben?“

„Wo ist Helena?“

„Aber Commander, sie ist doch tot, auf ARKADIA, das wissen sie doch.“  John fuhr wütend auf:

„Das ist nicht wahr, ich war gerade noch mit ihr zusammen, sie ist nicht tot!“ Die Krankenschwester musterte ihn unsicher:

„Sir, Sie phantasieren, ich sollte Dr. Mathias rufen.“

„NEIN!“ Koenig packte ihre Schultern. „Sie müssen mir helfen, ich……“

Vor seinen Augen verschwand das entsetzte Gesicht der jungen Frau und Simmonds süffisantes Grinsen stach ihm ins Gesicht, es wurde ein wenig geringschätzig, als er meinte:

„Wie schön, dass du dich über deine neue Aufgabe so freust John.“

 Koenig fuhr zurück und nahm eilig seine Hände von den Schultern des Commisioners. Er sah sich in dessen Büro um und versuchte sich zu fassen.“ Simmonds beobachtete ihn gleichmütig:

„Alles in Ordnung John?“ Koenig fasste sich:

„Natürlich Simmonds, wir sollten alles Nötige besprechen.“

Der Commissioner lächelte zufrieden.

 

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Helena saß an Johns Bett und beobachtete ihn besorgt. Hinter ihr standen Paul, Alan und Victor. Seufzend nahm sie eine Injektion und verabreichte ihm ein Mittel, um ihn aus der Bewusstlosigkeit zu holen.

John blinzelte und öffnete dann vorsichtig die Augen. Als er Helena erblickte, richtete er sich mit einem Ruck auf und zog sie heftig in seine Arme:

 „Ich wusste, dass du nicht tot bist. Ich wusste es.“ Helena lächelte und erwiderte seine Umarmung, dann wollte sie sich von ihm lösen und ihn nach seinem Zustand zu befragen, aber John ließ sie nicht los und lächelte sie an, dann beugte er sich vor und küsste sie.
Helena war mehr als überrascht. Normalerweise verhielt John sich vor anderen eher zurückhaltend, aber schließlich war es eine Ausnahmesituation und da war so ein Verhalten nicht wirklich ungewöhnlich. Trotzdem löste sie sich etwas verwundert aus seinen Armen und fragte lächelnd:

„Wie fühlst du dich John?“

„Sehr gut, es geht mir gut? Was machen die Kinder?“

Helenas Lächeln gefror:

„Welche Kinder?“

„Unsere natürlich. John, Victor und Maya.“

Auch das Lächeln der anderen drei verschwand augenblicklich. Helena nahm vorsichtig Johns Hand:

„John, wir haben keine Kinder. Wo bist du?“ John starrte sie an:

„Wer bist du? Wo bin ich hier?“

Alan trat an ihn heran:

„Commander, Sie sind auf Alpha, es ist alles in Ordnung.“ Koenig packte Carters Arm:

„Alan, du weißt doch von meiner Familie, wir haben darüber geredet, im Adler.“ Alan betrachtete ihn zweifelnd:

„Mit mir, Sir? Wir haben über gar nichts geredet. Bei unserem letzten gemeinsamen Flug waren Sie bewusstlos.“ John ließ ihn abrupt los.

„Was ist los, wo bin ich. Ich bin hier nicht richtig, ich muss……“ Er fiel zurück und sank wieder in tiefe Bewusstlosigkeit. Helena erhob sich und wandte sich ab. Sie unterdrückte mit aller Gewalt die aufsteigenden Tränen, als Alan sich an sie wandte:

„Aber……er hat uns doch alle erkannt, es geht ihm besser, oder?“ Helena fuhr herum, ihre tränenfeuchten Augen loderten:

„Besser Alan? Ich nenne das einen totalen Realitätsverlust mit Verwirrung und Halluzinationen. Ja, er hat uns erkannt, aber zuerst hielt er mich für tot, dann für die Mutter seiner Kinder. Und er hatte eine Erinnerung an ein Gespräch mit Ihnen, was auch nie stattgefunden hat. Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Der Parasit beeinflusst sein Gehirn und  -  raubt ihm seinen Verstand. Und wir, wir können nichts dagegen tun.“

Dann ging sie müde in ihr Büro und verschloss die Tür. Dr. Mathias zuckte mutlos die Achseln:

„Sobald wir etwas Neues wissen, bekommen Sie Bescheid.“

In gedrückter Stimmung verließen Victor, Paul und Alan die Krankenstation. Bob betrat vorsichtig Dr. Russells Büro.

„Sie sind eben ein sehr großes Risiko eingegangen. Was, wenn er die Parasiten auf Sie übertragen hat?“ Helena hob widerwillig den Kopf:

„Was meinen Sie?“ Dr. Mathias wies angelegentlich auf seinen Mund, aber Helena winkte ärgerlich ab:

„Sie sind mit Sicherheit noch an ihrem Platz. Was sagt der Scanner?“ Sie starrte auf ihren Computer, bis die Zahlen und Graphiken vor ihren Augen verschwammen. Dr. Mathias musterte sie besorgt:

„Was ist los?“ Helena unterdrückte ein Schluchzen, aber ihre Stimme gehorchte ihr wieder, als sie sprach:

„Auch die anderen Parasiten sind aktiv. Sie umspinnen sein Gehirn. In ein paar Tagen haben wir ihn endgültig verloren.“

 

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John kam im Adler zu sich und fand sich diesmal etwas schneller zurecht. Es war gut, wieder in der richtigen Zeit zu sein. Alan lächelte ihn an:

„Alles klar Sir? Wir können landen.“

Koenig nickte und landete den Adler auf der Rampe.

 

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Ein ohrenbetäubendes Krachen ließ ihn zusammenfahren, aber er konnte über den ausgelösten Airbag nichts erkennen. Koenig kämpfte sich aus dem Auto und starrte auf die Bescherung vor sich. Er hatte einen anderen Wagen gerammt, der vor seiner Wohnung geparkt war, wie hatte das nur passieren können. Warum war er so unkonzentriert?

John schleppte sich in seine Wohnung und warf sich in einen bequemen Stuhl. Er bedeckte sein Gesicht mit den Händen und versuchte sich zu beruhigen. Schließlich erhob er sich wieder und betrachtete die Bilder an den Wänden. Es waren großteils Sternenkarten und Bilder von Planeten. Eine Nahaufnahme der Mondbasis und ein Detailplan eines Adlers, ein Bild der Ultra–Sonde und ein Schnappschuss, der John, Tony und Victor bei einer Besprechung zeigte. Es war um die Ultra–Mission gegangen und Koenig seufzte, als er es betrachtete. Daneben war ein Bild von Helena……Helena. John fuhr mit dem Finger zärtlich über ihre lächelnden Züge. Helena. HELENA? Er versuchte sich zu konzentrieren. Er hatte Helena erst auf Alpha kennen gelernt, da war er sich ganz sicher. Er konnte kein Bild von ihr in seiner Wohnung haben, das war ausgeschlossen. Dann war das nicht seine Vergangenheit? Auch nicht seine Gegenwart, oder seine Zukunft? Irgendetwas lief hier völlig verkehrt.

 

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MEDIZINISCHES LOGBUCH DR. HELENA RUSSELL:

Der Zustand des Commanders hat sich weiter verschlechtert. Die Parasiten in seinem Gehirn wachsen weiter und er hat das Bewusstsein, auch unter Medikation, nicht wiedererlangt. Seine erhöhte Gehirnaktivität scheint das Wachstum der Parasiten zu forcieren und es gibt nichts, was wir dagegen tun könnten. Es ist nur mehr eine Frage von wenigen Tagen und er wird Verstand und Leben verlieren. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir das Risiko weiter eingehen können, ihn auf der Basis zu lassen. John ist nur mehr der Wirtskörper für einen Furcht erregenden Parasiten, der sich womöglich auf Alpha ausbreiten wird. So schwer es uns auch fallen mag, wir werden eine Entscheidung treffen müssen.“

 

„NIEMALS!“ Alan hieb seine Faust auf den Tisch des Versammlungsraums.

„Wir werden den Commander nicht ins Weltall schießen. Nicht solange er lebt.“ Victor lächelte traurig:

„Alan, er lebt längst nicht mehr, die Parasiten zerstören sein Gehirn und es ist nur mehr eine Frage der Zeit….Warum sollten wir Alpha unter diesen Umständen einem Risiko aussetzen, John hätte so etwas nie gewollt.“

Helena wandte sich müde an Alan:

„John wird nichts davon bemerken, wir injizieren ihm ein……“

„Sie wollen ihn einfach umbringen, das glaube ich einfach nicht. Er ist noch immer der Commander, wir müssen noch warten.“ Helena sah ihn an:

„Alan, denken Sie nicht, dass ich ALLES versucht habe?“

Carter senkte den Blick, aber er war noch immer nicht überzeugt.

Paul schaltete sich ein:

„Wir brauchen einen neuen Commander. Gerade jetzt, die Mannschaft ist ohnehin schon so deprimiert. Einen John Koenig, der langsam aber sicher den Verstand verliert, werden sie nicht mehr verkraften können. Wir müssen handeln, so leid es mir persönlich tut.“

„So leid es dir persönlich tut“, äffte Alan ihn nach.

„Habt ihr denn gar kein Gefühl? Der Commander hätte keinen von uns so schnell aufgegeben, ich werde ihn nicht im Stich lassen.“ Paul fuhr auf:

„Hätte er dich nicht aus dem Wasser ziehen müssen, wäre das alles nicht passiert!!“ Alan machte Anstalten sich auf Paul zu stürzen, als Sandra wütend dazwischen ging:

„Müsst ihr denn alles noch schlimmer machen? Wir haben wirklich andere Sorgen, als diese Schuldzuweisungen.“

 

Helena drückte ihre Hand an ihre schmerzende Stirn. Sie hatte kaum mehr zugehört, als der Streit begonnen hatte. Die Aussicht, Johns Leben mittels Injektion zu beenden, raubte ihr alle Kraft. Victor legte seine Hand auf ihren Arm, wohl wissend, dass es keinen Trost für sie gab. Aber da hatte sie sich schon wieder in der Gewalt. Die Leute begannen die Nerven zu verlieren, sie musste einen klaren Kopf behalten.

„Bitte, wir müssen eine Entscheidung treffen. Wenn wir zu lange warten, könnte es zu spät sein. Ich schlage vor, wir warten noch einen Tag. Wenn sich dann nichts verbessert, oder es sich weiter verschlechtert, werden wir John einen leichten und würdevollen Tod bereiten. Danach müssen wir seinen Leichnam so schnell wie möglich von der Basis schaffen, damit die Parasiten sich nicht ausbreiten können. Vorläufig besteht noch keine Gefahr, aber die nächste Metamorphose möchte ich nicht abwarten, denn dann könnte es zu spät sein. Diese Entscheidung fällt uns allen schwer, aber sie ist in Johns Sinne, er würde es nicht anders haben wollen.“ Sie nickte allen ruhig zu, dann verließ sie das Büro. Ihre Haltung verließ sie nicht, bis sie ihr Quartier erreichte. Erst als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, brach Helena in verzweifelte Tränen aus. Es war vorbei. John war so gut wie tot.

 

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Koenig erwachte in seinem Büro. War er kurz eingenickt, was war geschehen? Eine Frau mit kunstvoll frisierten roten Haaren und fremdartigen Gesichtszügen musterte ihn freundlich:

„Wie geht es Ihnen Commander?“ John bedeckte kurz seine Augen mit der Hand:

„Wer sind Sie?“

„Mein Name ist Maya. Ich bin ihr Wissenschaftsoffizier.“

„Unsinn, das ist Victor.“

„Er lebt nicht mehr, Sir. Ich habe seinen Platz. Sie haben auf  PSYCHON mein Leben gerettet und mir Asyl auf Alpha gewährt.“ John erhob sich schwer atmend:

„Das kann einfach nicht wahr sein. Ich kenne diesen Planeten nicht und Sie auch nicht. Also lassen Sie mich in Ruhe.“

„Haben sie nicht ihre kleine Tochter nach mir benannt?“ Die Fremde lächelte rätselhaft.

Koenig wandte sich um und verließ sein Büro, die Gänge waren leer, wo war seine Mannschaft, wo war Helena? Alan kam auf ihn zu. Erleichtert ergriff Koenig dessen Arm.

„Alan, wo sind denn alle?“ Carter lächelte ihn an, antwortete aber mit einer Gegenfrage:

 „Geht es Ihnen besser Commander?“

„Ja, ja. Ich suche Victor, wo…..“ Koenig betrachtete alarmiert Alans erschrockene Miene:

„Commander, Victor Bergman ist tot. Sie haben anlässlich seines Todes ihren zweiten Sohn nach ihm benannt. Erinnern Sie sich nicht mehr? Es war ein undichter Helm, an seinem Raumanzug, wir konnten nichts für ihn tun.“ John schüttelte ungläubig seinen Kopf.

„Aber wer…..wer hat seinen Posten?“

„Maya. Sie haben doch gerade mit ihr gesprochen, sie ist schon lange bei uns.“ Alan lächelte seltsam:

„Ich muss jetzt gehen, wir haben eine Raumbestattung durchzuführen.“ Koenig schloss sich ihm an, endlich wusste er, warum er niemandem begegnet war.

„Wer ist gestorben?“ Alan lächelte wieder so eigenartig:

„Sie Commander. Wir werden sie in allen Ehren ins Weltall jagen.“ John starrte ihn an:

„Unsinn Alan. Ich bin doch hier, Sie reden mit mir. Wie könnte ich tot sein?“

Aber als Koenig an der Schleuse zu Adler 1 ankam, der den Sarg ins All bringen sollte, sah er den Kommandostab vollzählig versammelt. Helena weinte leise, ebenso wie die drei Kinder, die man unvernünftigerweise auch mitgebracht hatte. John trat näher, aber niemand schien ihn zu sehen. Der Sarg war offen und er konnte sein eigenes friedliches Gesicht sehen. Er fuhr herum und stürzte davon.

 

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Dr. Russell stand am Bett des Commanders und überprüfte genauestens dessen Werte. Bob Mathias trat an sie heran:

„Keine Besserung, oder?“

Helena schüttelte kaum merklich den Kopf. John war eigentlich schon tot. Wenn sie ihm die Injektion verabreichte, tat sie ihm streng genommen nur mehr einen Gefallen. Es war das Letzte, was sie für ihn tun konnte……Tränen trübten ihren Blick, ein paar Stunden noch, dann war es soweit…..

Im Grunde war es sinnlos noch zu warten, aber Dr. Russell hatte vor, ihren eigenen Vorschlag minutiös einzuhalten. Schließlich wollte sie die Moral der Besatzung nicht weiter schwächen, indem sie ihnen das Gefühl gab, nicht bis zur allerletzten Sekunde gewartet zu haben.

Sie setzte sich kurz zu John auf das Bett und nahm seine kalte Hand, aber alle Worte, die sie hatte sagen wollen, blieben ihr im Hals stecken.

John bewegte seinen Kopf und erwiderte schwach den Druck ihrer Hand:

„Helena?“

„Ja, John. Wie geht es dir?“ Sie legte ihre Hand auf seine Stirn.

Koenig schlug die Augen auf und sah sie an:

„Wo bin ich jetzt?“ Helena lächelte traurig:

„Du bist in der Isolierstation – auf Alpha, falls du…“

„Nein, ich meine die Zeit, in welcher Zeit bin ich?“

„1423 Tage nach dem Verlassen der Erdumlaufbahn, es ist 11 Uhr Mondzeit.“

„Commissioner Simmonds?“

„Er ist lange tot John.“

„Helena. Du musst mir helfen, ich weiß nicht mehr, in welche Zeit ich gehöre. Schnell, bevor es wieder wechselt, ich muss mit Victor sprechen - er lebt doch, oder?“

Dr. Russell betrachtete ihn voller Resignation:

„Natürlich lebt Victor, es geht ihm gut.“

„Und wo ist Maya?“

„Wer soll das sein John?“

Helena war überrascht, als John erleichtert aufatmete:

„Dann bin ich richtig, oder? Was ist mit unserer Familie?“

„Wir haben keine Familie, es tut mir leid.“

John wirkte gehetzt:

„Bist du sicher? Wenn ich nur wüsste, wo ich hingehöre. Bist du denn echt Helena, oder träume ich dich nur?“ Er umklammerte ihre Hand.

„John, da sind Parasiten in deinem Kopf, sie beeinflussen deinen Verstand.“

„Ihr habt mich bestattet, ich habe es gesehen. Aber wann? Wann werdet ihr das tun? Ist das meine Zukunft? Helena, bitte hilf mir……“ Johns Augen verschwammen und er verlor wieder das Bewusstsein. Seine Hand glitt kraftlos aus der Ihren.

Helena betrachtete traurig sein nervös zuckendes Gesicht. Sein bedauernswerter Zustand schnitt ihr ins Herz:

„Ich werde dir helfen, John. Bald hast du Ruhe, du kannst dich auf mich verlassen.“

Ihre Hand glitt noch ein letztes Mal sanft über seine Wange, dann erhob sie sich mutlos und versuchte sich auf andere Arbeiten zu konzentrieren. Möglicherweise war das Johns letzter lichter Moment gewesen. Aber seine Halluzinationen wurden immer bedrohlicher, es schockierte sie, dass er seine eigene Bestattung gesehen hatte.

 

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John wanderte ziellos durch eine ausgestorbene Mondbasis. Waren noch immer alle auf seiner Verabschiedung? Soviel Aufwand schadete der Disziplin, er hätte das nicht gewollt. Hätte? War er ein Geist, der noch immer in die Enge der Mondbasis verbannt war? Da sah er Victors schütteren Haarschopf um eine Ecke verschwinden. Eilig rannte er hinter ihm her:

„Victor. VICTOR!! Warte doch.“

Aber er konnte Victor einfach nicht erreichen, es war wie in einem Alptraum, er war entweder zu langsam, oder Hindernisse verstellten ihm den Weg. Die Mondbasis wirkte alt, heruntergekommen und verlassen. Als John wieder atemlos um eine Ecke hetzte, lief er plötzlich Simmonds in die Arme. Der packte ihn kräftig an den Schultern und hielt ihn eisern fest. Wütend versuchte John sich aus den Armen des viel kleineren Mannes zu befreien.

„John! Hast du dich gut eingelebt auf Alpha? Wann startest du die Meta–Sonde? Wie lange muss ich noch warten? Ich sagte dir doch, wie immens wichtig diese Sache ist.“ John starrte um die Ecke und versuchte Victor im Auge zu behalten:

„Simmonds, ich dachte du wärst tot.“

„Tot? Was für ein Unsinn, John. Sehe ich tot aus?“

„Aber du kannst nicht hier sein, es…..“

„Ich bin durch deine Schuld hier. Warum hast du die Katastrophe nicht verhindert? Du hast mich in diese Lage gebracht. Und du hast meinen Tod verschuldet. John, du bist schuld, du allein.“

Koenig gelang es endlich sich loszureißen und er ließ den geifernden Commissioner hinter sich zurück. Hatte er Simmonds Tod verschuldet? Aber wie und wann?

Victor schien in seinem Labor auf ihn zu warten, als er es endlich völlig außer Atem erreichte.

„Victor, du musst mir helfen...  bitte.“

Bergman lächelte geistesabwesend:

„Was brauchst du, John? Ich bin doch immer für dich da.“

„Wo bin ich, in welcher Zeit? Was passiert nur mit mir?“

„Was sollte denn mit dir passieren? Es ist doch alles in Ordnung?“

„Aber ich habe das Gefühl ständig zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft hin und her zu springen.“

„Tun wir das nicht alle?“

John begann ruhelos auf und ab zu gehen:

„Das ist doch Unsinn Victor. Ich muss zurück in die Gegenwart, in MEINE Gegenwart. In der Zukunft bin ich tot.“

„Tja, so sieht wohl unser aller Zukunft aus, John. Mach dir darüber keine Gedanken.“

„Aber was wird aus Alpha?“

Victor beugte sich über seine kugelförmige Schöpfung, an der er ständig arbeitete.

„Alpha? Was sollte mit Alpha passieren? Wir werden THOVA besiedeln. Wir brauchen Alpha nicht mehr.“

„THOVA?“

Koenig versuchte sich verzweifelt zu erinnern, aber Victor begann vor seinen Augen zu verschwinden.

Im nächsten Augeblick stand er vor Victors Sarg und er hörte sich eine ergreifende Rede halten. Helena stand neben ihm, aber er konnte nichts tun. Es war nur mehr ein Zuseher bei der Zeremonie. Schließlich fühlte John, wie er aus seinem Körper glitt und von einem Abstand von einigen Metern die feierliche Handlung beobachtete. Er fühlte sich leer und ausgehöhlt, nur mehr ein ferner dumpfer Schmerz war in ihm.

Da bemerkte er wieder die fremde Frau neben sich – Maya.

Sie lächelte ihn an:

„Commander, ich möchte Ihnen doch helfen.“

John fuhr herum:

„Verschwinden Sie. Sie sind ein Trugbild. Ich habe Sie nie zuvor in meinem Leben gesehen.“

„Commander, uns bleibt kaum noch Zeit. Dr. Russell wird Ihnen bald eine tödliche Dosis Beruhigungsmittel verabreichen und dann wird auch mein Schicksal sich nicht erfüllen. Sie müssen auf mich hören.“

John rannte davon:

„Niemals. Sie sind eine Täuschung.“

„COMMANDER!“

 

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MEDIZINISCHES LOGBUCH DR. HELENA RUSSELL:

„Johns Zustand hat sich weiter verschlechtert. Außerdem sind die Parasiten besorgniserregend gewachsen und beginnen sich zu verändern. Es ist keine Zeit mehr zu verlieren. Wir werden im Sinne von John Koenig entscheiden und die Sicherheit von Alpha in den Vordergrund stellen. Heute um 18 Uhr Mondzeit werde ich ihm eine hohe Dosis von einem Narkotikum verabreichen und damit sein bereits verlorenes Leben beenden. Danach wird der Commander nach einer kurzen Zeremonie mit einem Adler dem Weltall übergeben. Damit werden die Parasiten nicht nur von Alpha entfernt, sondern auch endgültig vernichtet werden.
Paul Morrow hat noch immer das Kommando, ein endgültiger Nachfolger ist noch nicht erwählt.
THOVA hat sich als trügerisches Paradies erwiesen, heimtückisch und tödlich, von einer furchtbaren Schlange bewacht.“

  

Helena starrte noch lange auf die Tasten, nachdem ihr Bericht schon längst abgeschlossen war. Bob Mathias hatte ihr angeboten, John die Injektion zu geben, aber sie hatte abgelehnt. Es war das Letzte, was sie für John tun konnte und sie wollte es selbst machen. Sanft, vorsichtig und Abschied nehmend………

 

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John irrte wieder durch Alphas verlassene Gänge. Die Einsamkeit machte ihn langsam aber sicher verrückt, niemand, mit dem er reden konnte. Als er an sich herabsah, bemerkte er, dass er keine Uniform mehr trug, sondern seinen blauen Basispyjama. Endlich, endlich kam ihm jemand entgegen, es waren Sandra und Tanya. Sie schienen sehr bedrückt und hatten offensichtlich geweint. Koenig stürmte auf sie zu:

„Sandra! Tanya! Was ist passiert?“ Sandra sah ihn freundlich an:

„Wir haben soeben jemanden verabschiedet.“ John fuhr zusammen:

„Victor?“

„Nein, unseren Commander.“

„Nein, Sandra. Ich bin doch hier. Erkennen Sie mich nicht?“

„Doch, Sie sind John Koenig.“ Beide lächelten ihn traurig an und gingen weiter. John versuchte sie aufzuhalten, aber seine Hand glitt durch sie durch. Waren nur mehr Geister auf Alpha? Aber es waren nicht Sandras oder Tanyas Körper, die substanzlos waren, es war seine Hand, die seltsam durchscheinend wurde. Was geschah mit ihm? War er tatsächlich schon tot? Warum hatte er dann keine Ruhe, was tat er noch hier?

 

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John seufzte und betrat sein Quartier. Es wirkte seltsam leer und fremd. So als hätte er nie da gewohnt, er hatte offensichtlich keine Spuren hinterlassen.

Koenig warf sich in einen Stuhl und rieb mit den Fingern seine Schläfen. Es war ungeheuerlich, dass er auch als Geist noch Kopfschmerzen hatte.

Als die Tür hinter ihm aufglitt, wandte er sich gar nicht um. Er wusste auch so, wer es war.

„Kommen Sie nur herein. Inzwischen bin ich schon froh, wenn ich mit einem Trugbild reden kann.“

Maya trat lächelnd näher:

„Noch immer nicht überzeugt Commander? Warum lassen Sie sich so von ihren Emotionen leiten?“

„Emotionen? Ich habe kein emotionales Problem, sondern ein zeitbedingtes. Und ich rede mit meinen eigenen Zwangsvorstellungen. Das sollten wirklich Probleme genug sein.“

„Aber Commander, wir werden einmal, in naher Zukunft sehr gute Freunde werden.“

„Wie es aussieht, brauche ich keine Freunde mehr. Man hat eben meine Leiche in den Raum geschossen.“

„Denken Sie wirklich, dass das Ihre Gegenwart ist?“

Koenig sprang auf und begann auf und ab zu gehen.

„Ich habe keine Ahnung, was meine Gegenwart ist. Ich weiß nicht einmal ob ich mich in meiner Gegenwart befinde, oder längst in der Zukunft und glaube, mich in meiner Vergangenheit aufzuhalten.“

Maya lächelte:

„Ein interessanter Gedanke, Commander. Wollen Sie vielleicht lieber mit Prof. Bergman oder Dr. Russell darüber sprechen.“ Sie lächelte wieder geheimnisvoll: „Ich könnte sie beide sofort holen, wenn sie wollen.“

„Welchen Victor, welche Helena? Ich habe keine Ahnung mehr, wer die richtigen sind. Bleiben Sie ruhig hier. In meinem Dilemma scheinen Sie die einzige Konstante zu sein.“

„Sie scheinen zu wissen, dass Ihre Vergangenheit nicht richtig sein kann, oder?“

„Nein, da waren Fehler, aber das hat keine Bedeutung mehr. Entweder ich bin bereits tot, oder meine unmittelbare Zukunft ist der Tod. Ich kann nichts mehr tun, außer warten, zur Hölle.“

„Sie haben aufgehört zu kämpfen, John Koenig?“

„Mir bleibt keine Wahl.“

Maya kam näher:

„Sie haben wirklich nicht mehr viel Zeit, Commander. Die Parasiten in ihrem Gehirn drohen Sie zu überwältigen und Dr. Russell will ihnen eine todbringende Injektion verabreichen.“

Koenig lächelte:

„Dafür bin ich ihr überaus dankbar. Sie tut das Richtige.“

„Nicht in diesem Fall. Zumindest nicht, wenn SIE das Richtige tun.“

„Und was soll das sein?“ John unterbrach kurzfristig seine ruhelose Wanderung.

„Konzentrieren sie sich auf ihre Gegenwart. Sie wissen, welche die richtige ist, wenn Sie es zulassen. Wenn Sie eine Familie hätten, müssten Sie sich nicht an die Geburten ihrer Kinder erinnern? Oder an Helenas Tod, oder Victors? Lassen Sie alle Wünsche, Ängste und Schuldgefühle fallen und entspannen Sie sich. Denken Sie an ihr Leben, an das Leben was Sie hatten und immer noch haben und beruhigen sie sich. Ich helfe Ihnen dabei.“

Maya nahm Johns Hand und führte ihn zu einem Stuhl, wo er sich langsam setzte. Er bedeckte sein Gesicht mit den Händen und versuchte sich zu konzentrieren. Von hinten legte Maya sanft ihre Hände an seine Schläfen und ganz plötzlich fühlte er Erleichterung und Ruhe…….

 

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Dr. Russell nahm langsam und ruhig die Injektion zur Hand. Victor, Paul und Alan standen neben Johns Bett und hatten bereits in aller Stille Abschied genommen. Helena ließ sich langsam neben John nieder und nahm sanft seine Hand. Die Spitze der Injektion senkte sich auf seine Haut……..

„HALT!“ Alan zog ihre Hand beiseite. Helena sah ihn voller Schmerz an:

„Alan, wir haben uns doch geeinigt, bitte machen Sie es nicht noch schwerer.“ Alan schluckte:

„Nur noch fünf Minuten, es geht mir zu schnell. SO darf er einfach nicht sterben, nur ein bisschen mehr Zeit.“ Helena seufzte und trat ein wenig zur Seite. Alan hatte keine Ahnung, was er ihr damit antat. Sie war ohnehin am Ende ihrer Kraft. Um sich abzulenken prüfte sie noch einmal Johns Werte, was sie erst vor zwei Minuten getan hatte, aber sie musste die Zeit überbrücken.

Seltsam….

Johns Gehirnaktivität hatte deutlich nachgelassen und er schien aus der Bewusstlosigkeit in einen tiefen ruhigen Schlaf geglitten zu sein.

Helena wollte keine falschen Hoffnungen erwecken, also prüfte sie, unbemerkt von den anderen, den Scanner.

Nach eingehender Untersuchung aller Daten legte sie ruhig die Injektion zur Seite und ging zurück zu Johns Bett. Alan sah erschrocken auf:

„Ist es soweit?“

Dr. Russell bemühte sich diesmal gar nicht die Tränen zurückzuhalten, aber ihre Stimme war ruhig und klar wie immer:

„Seine Gehirnaktivität ist normal. Er schläft jetzt. Ein Parasit ist bereits tot und beginnt sich aufzulösen, bedingt durch die körpereigenen Abwehrkräfte, die anderen beiden liegen in Agonie. Sie wirken flach und schwach, so…..als wären sie verhungert.“

 

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John schlief noch zwei volle Tage, dann waren alle Parasiten tot und abgebaut. Es gab keine Hinweise mehr auf irgendeine Verseuchung und er wurde aus der Isolierstation geholt. Helena verbrachte fast die gesamte Zeit an seinem Bett, sie wollte bei ihm sein, wenn er endlich erwachte. Noch hatte sie ein wenig Angst davor. Schließlich war eine gewisse Schädigung des Großhirns nach wie vor nicht ausgeschlossen.

 

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John erwachte wieder einmal in der Krankenstation. Er blinzelte und öffnete vorsichtig die Augen – und lächelte, als er Helenas müdes, glückliches Gesicht sah.

„Bin ich….“

„Du bist wieder hier, John, hier bei uns. Ich lebe, habe aber keine Kinder von dir.“

John lächelte wieder und griff nach ihrer ausgestreckten Hand:

„Das klingt wirklich gut. Klingt nach Zuhause…..“

 

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Zwei Tage später und nach weiteren genauen Tests, erlaubte Helena John wieder aufzustehen und seinen Dienst zu versehen. Überall auf Alpha herrschte glückliche, ausgelassene Stimmung. ARKADIA und THOVA waren auf Grund der letzten Ereignisse völlig in Vergessenheit geraten.

Nach einer Konferenz des Kommandostabs blieben John, Victor und Helena allein in Johns Büro zurück. Victor betrachtete ihn nachdenklich:

„Also haben diese Parasiten diese Zeitsprünge hervorgerufen, um von der emotionalen Energie zu leben? Deshalb diese aufregenden und erschreckenden Erlebnisse.“

Helena schaltete sich lächelnd ein:

„Nun ja wohl nicht alle.“ John lächelte:

„Sie haben sich aber nicht an die Tatsachen gehalten.“

Victor rieb sich die Stirn:

„Ja und nein. Sie haben deine Ängste, Wünsche und Schuldgefühle mit hinein verwoben um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Höchst interessant. Deine Angst um Helena, als Luke Ferro sie entführt hatte, deine Schuldgefühle gegenüber Simmonds und deine Wünsche an die Zukunft.“ Er lächelte fast ein wenig verschmitzt.

Koenig warf einen raschen, amüsierten Blick auf Helena, die ihn etwas sarkastisch betrachtete, dann wurde er wieder ernst:

„Die zukünftigen Erlebnisse, denkst du, dass da etwas Wahres dran sein könnte?“

„Nun, manche behaupten, unser gesamtes Schicksal wäre in unserem Kopf gespeichert, vielleicht haben die Parasiten auch diesem Speicher angezapft? Lassen wir uns überraschen John. Auf jeden Fall würde ich diese Außerirdische gerne kennen lernen, das wäre bestimmt eine interessante Erfahrung.“

John fühlte bei diesen Worten einen scharfen Schmerz. Sollten sie die Frau, an deren Namen und Aussehen er sich nicht mehr erinnern konnte, tatsächlich treffen, dann würde Victor nicht mehr da sein, um sich mit ihr unterhalten zu können. Aber das hatte er verschwiegen. Wahrscheinlich war diese Zukunft ebenso unrichtig wie die Vergangenheit, er wollte sich keine unnötigen Sorgen machen.

John wandte sich um und ging lächelnd auf Helena zu. Victor sah sich kurz um, dann meinte er zerstreut:

„Ich bin dann in meinem Labor.“

 

John zog Helena sanft in seine Arme und sie legte aufatmend ihren Kopf an seine Schulter.

„Es wäre beinahe schief gegangen, John. Es tut mir so leid.“

„Du hast absolut richtig gehandelt. Es war ganz in meinem Sinne.“

Helena hob kurz den Kopf und betrachtete ihn etwas ironisch:

„Victor meint also, deine Wünsche haben die Zukunft bestimmt?“

Koenig grinste:

„Aber gerade unsere Zukunft war doch gar nicht so schlecht, oder?“

Helena barg ihren Kopf wieder an seiner Schulter:

„Also wirklich John, ich weiß nicht…….DREI????“

 

Ende

 

 


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